Steuergeschenke gibt's nicht gratis
Entlastungen und weniger Bürokratie im Steuerdschungel, so lautet das Versprechen der Koalition. Doch davon ist man noch weit entfernt.
Veröffentlicht:Mehr Netto vom Brutto, mit diesem Slogan warben die Koalitionsparteien im Sommer um Wählerstimmen. Und auch im Koalitionsvertrag findet sich das Steuermotto von CDU, CSU und FDP wieder. Dabei wolle man vor allem den Mittelstand - zu dem letztlich auch Arztpraxen zählen - entlasten und für weniger Bürokratie sorgen. Die anstehende Steuerreform für 2010 zeigt aber ein anderes Bild.
Doch erst einmal zum Positiven: Eine echte Steuerentlastung kann für Praxischefs die degressive Abschreibung sein, die für dieses und nächstes Jahr möglich ist. Praxisinhaber können danach bewegliche Wirtschaftsgüter ihres Anlagevermögens - Praxisgeräte, PKW, Praxiseinrichtung etc. -, die sie 2009 oder 2010 gekauft haben oder noch kaufen, in den ersten zwei Jahren mit einer Rate von 25 Prozent abschreiben. Mehr Verwaltungsaufwand ist nicht damit verbunden.
2010 brauchen Praxen ein Anlageverzeichnis
Anders sieht es mit den geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) aus. Ab 2010 gelten wieder Wirtschaftsgüter bis zum Wert von 410 Euro als geringwertig und können somit im Jahr der Anschaffung komplett abgeschrieben werden. Die neue Regierung hat sich aber zusätzlich noch eine Wahlmöglichkeit ausgedacht. So können Praxen Wirtschaftsgüter bis 410 Euro entweder sofort abschreiben oder von einer Poolregelung Gebrauch machen. Poolregelung heißt: Die Praxis sammelt alle Wirtschaftsgüter eines Jahres, die zwischen 150 und 1000 Euro Anschaffungswert liegen, und schreibt sie "gepoolt" über fünf Jahre ab. Was sich so schön anhört, bringe im Alltag einiges an Mehrarbeit, erklärt Steuerberaterin Dagmar Kayser-Passmann aus Unna. Denn für die GWG müsse nun ein Anlageverzeichnis geführt werden.
Elektronisch heißt nicht immer weniger Arbeit
Auch so ein kränkelndes Kind ist ELENA. Dahinter verbirgt sich ein neues elektronisches Meldesystem für Arbeitgeber. So sind ab 2010 nicht nur die Entgeltdaten für Arbeitnehmer monatlich an die ZSS (Zentrale Speicherstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund) zu melden. Auch Angaben zu Kündigungszeitpunkten und Kündigungsgrund sind erforderlich. Bis 2012 soll die Schriftform dann komplett entfallen, sagt Kayser-Passmann. Sie hält das System aber nicht nur für Mehrarbeit, sondern auch für fehleranfälliger: "Zu jeder Kündigung eines Praxismitarbeiters muss nun eine extra Begründung abgegeben werden." Und: "Was, wenn dem Praxisinhaber oder Steuerberater ein Zahlendreher bei der Steuer-Identifikationsnummer passiert?" Dann landen die Daten eventuell bei einem anderen Bürger.
Ebenfalls Probleme machen könnten die Krankenversicherungsbeiträge, zumindest bei privat Versicherten. Die Beiträge gelten ab 2010 zwar als vollständig abzugsfähig. Jedoch nur in Höhe der Basisversorgung und die muss sich der Versicherte, wenn er Pech hat, erst einmal aus seinem Beitrag mühselig herausrechnen.
Noch so ein Fall von Mehraufwand ist die Abgeltungssteuer. Denn wer kirchensteuerpflichtig ist und nicht bei jedem seiner Kreditinstitute den Antrag auf Abführung der Kirchensteuer gestellt hat, muss in seiner Einkommensteuererklärung die unübersichtliche Anlage KAP ausfüllen. Selbst, wenn er nicht über den Freibetrag von 801 Euro kommt.
- Editorial
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