Liebe Leserin, lieber Leser,
Wolfgang van den Bergh, Chefredakteur
seinen ganz persönlichen Wunschzettel hat Professor Jörg-Dietrich Hoppe schon vor Wochen abgegeben. Der Präsident der Bundesärztekammer mag dabei vielleicht auch an Weihnachten gedacht haben. Viel mehr hatte er allerdings die neue Bundesregierung und hier vor allem den neuen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler im Blick.
Nach elf Jahren roter und grüner Regentschaft im Bundesgesundheitsministerium ist die Zeit reif für einen Neuanfang. Die vergangenen Jahre waren geprägt von Streit und wechselseitigen Schuldzuweisungen zwischen BÄK/KBV und dem Ministerium. Und das, obwohl Ulla Schmidt etwa den niedergelassenen Ärzten die Abschaffung der restriktiven Honorarbudgets und damit eine Abkehr von der einnahmeorientierten Ausgabenpolitik beschert hatte. Fehlendes Vertrauen hatte eine konstruktive Zusammenarbeit beider Seiten unmöglich gemacht. Zwei völlig unterschiedliche Konstruktionspläne für ein modernes Gesundheitswesen passten nicht zusammen.
Mit dem eindeutigen Bekenntnis zur Freiberuflichkeit ärztlicher Tätigkeit als tragendes Prinzip der Gesundheitsversorgung und dem ausdrücklichen Wunsch, die Selbstverwaltung aktiv am gesundheitspolitischen Entscheidungsprozess zu beteiligen, wird ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Politik aufgeschlagen. Garant dafür könnte ein Arzt an der Spitze des Ministeriums sein.
Erstmals in der 60-jährigen Geschichte der Bundesrepublik wird das Gesundheitsministerium (BMG) von der FDP geführt. Im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" stellt Philipp Rösler zwar immer wieder klar, die Interessen aller Versicherten im Blick zu haben, dennoch macht er keinen Hehl daraus, in Zukunft viel stärker auf die Expertise der Akteure im Gesundheitswesen zurückgreifen zu wollen. Obwohl ihm schon nach wenigen Wochen im Amt bewusst ist, mit jeder Entscheidung immer jemanden auf die Füße zu treten.
Seine Entschlossenheit, das System umzubauen, ist ungebrochen, trotz der ständigen Störfeuer aus München. Entscheidend ist für Rösler längst nicht mehr das Ob, sondern das Wie. Bereits in wenigen Wochen soll die Regierungskommission "mit einem klaren Auftrag" (Rösler) ihre Arbeit aufnehmen: Zentraler Auftrag wird sein, das System mit mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Versichertenbeiträgen umzubauen. Spannend bleibt die Frage, mit welcher Geschwindigkeit der Umbauprozess in Angriff genommen werden kann.
Einige Stichworte, wie der Umbau bewerkstelligt werden könnte, liefern Bundesärztekammer und KBV. Für die Bundesärztekammer steht zweifelsfrei die Nachwuchsförderung im Mittelpunkt. Wiederholt werden Forderungen nach Abbau von Bürokratie und einer neuen Bedarfsplanung.
Die KBV ist fest entschlossen, alte Zöpfe einer insuffizienten Bedarfsplanung abzuschneiden. Angepeilt wird eine Sektor übergreifende Versorgungsplanung, die sich am Behandlungsbedarf der Wohnbevölkerung orientiert und daraus den Versorgungsbedarf sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich abbildet. Ein Regionalverbund soll die Koordination übernehmen, dem neben der KV, die Krankenhausgesellschaften, die Kammern und die Landesministerien stimmberechtigt angehören sollen. Vertreter von Kassen und Patientenverbänden sollen lediglich beratende Funktion haben.
Ganz oben auf dem Wunschzettel des Präsidenten der Bundesärztekammer stehen Sätze wie mehr Kooperation statt Konfrontation unter den Gesundheitsberufen, wobei hier die Bundesärztekammer, die Landesärztekammern und die KBV sicherlich auch selbst die Initiative ergreifen könnten, für eine Klima-Verbesserung zu sorgen. Ärztliche Verantwortung bleibt aus Sicht der Bundesärztekammer aber weiter nicht delegierbar. Von einer echten Aufgabenteilung kann daher auch weiterhin keine Rede sein.
Das klare Bekenntnis der Koalition zur Privatversicherung wird von Hoppe ausdrücklich begrüßt. Das bedeutet aus Sicht des Präsidenten aber auch eine Novellierung der GOÄ. Eine neue GOÄ verschaffe Ärzten und Versicherten wieder Planungssicherheit. Die Kammer habe dazu "einen betriebswirtschaftlich fundierten Vorschlag" erarbeitet, so Hoppe.
Beim Thema Arzneimittelversorgung sieht wiederum die KBV dringenden Handlungsbedarf. Optimistisch stimmt sie dabei die Formulierung aus dem Koalitionsvertrag, wonach alle Reglementierungen hinterfragt werden sollen. Zumindest die Forderung von KBV-Arzneimittel-Experte Dr. Carl-Heinz Müller, die Richtgrößen abzuschaffen, findet damit beim Minister Gehör.
Zu Beginn einer neuen Legislaturperiode ist es gestattet, Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen zu äußern. Die eigentlichen Probleme kommen spätestens, wenn der Startschuss zu dem angestrebten Systemumbau erfolgt. Doch bis dahin werden Monate vergehen und noch viele Fragen zu beantworten sein.
In unserer Jahresendausgabe 2009 wollen wir den Fokus auf die Problemfelder der nächsten Monate richten. Am Ende eines jeden Kapitels steht daher nicht das Fazit, sondern stehen die wichtigsten Fragen, mit denen sich die Koalition aus Sicht der "Ärzte Zeitung" beschäftigen sollte.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2010 Ihr
- Editorial
- Krankenkassen und ihre Finanzierung I In der Wirtschaftskrise wirkt der Gesundheitsfonds wie ein Schutzschirm Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Krankenkassen und ihre Finanzierung II Ein neuer Anlauf zur Gesundheitsprämie Die Schweizer sind mit ihrer Kopfpauschale kreuzunglücklich Holländische Mischung: Prämie und nur ein Versicherungsmarkt Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Die Zukunft der PKV Aufatmen bei den Privaten - aber wie wirkt die steuergestützte GKV-Prämie? GOÄ-Novelle wird zum Machtkampf von Ärzten und PKV Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Medizinischer Fortschritt Hürden für Innovationen - wie die ambulante Medizin benachteiligt ist Mezzanine Versicherungen - Teilhabe am Fortschritt Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Vertragspolitik Koalition lässt Hausärzteverband gewähren KBV-Verträge verstauben in der Schublade Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Honorarpolitik Ein Kraftakt und viel Frustration Kommt ein Fiasko für den Osten? Immer einheitlich - KV Hamburg stöhnt unter diesem Diktat Nordrhein schaut in die Röhre, weil die RLV zu knapp sind Mehr Qualität, mehr Geld: Bayern setzt auf diese Gleichung Westfalen-Lippe - wo versickert das Geld für die Region? Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Ärztliche Versorgung Wie lockt man junge Ärzte in die Hausarztpraxis auf dem Land? Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Neue Versorgungsformen MVZ - Monopol für Ärzte? Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Kooperation und Arbeitsteilung Berufspolitische Barrieren behindern die Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegern Delegation ja - aber wenn, dann am ehesten an die eigene MFA Wie ist die Praxis - und wo stecken die Probleme? Reha soll künftig Vortritt vor Pflege haben Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Reform der Pflege Von einem neuen Pflegebegriff sollen vor allem Demenzkranke profitieren Sparstrumpf für Pflege - wie gestrickt? Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Prävention Ein Präventionsgesetz wird es mit Schwarz-Gelb wohl kaum geben Prävention - da raschelt das Papier Schulobstprogramm gescheitert Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Arzneimittelversorgung I Deregulierung, Kalkulierbarkeit, Kümmern um die Versorgung chronisch Kranker Sollen, müssen, dürfen, können - wer lichtet den Schilderwald im Arzneimarkt? Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Arzneimittelversorgung II Die Weltformel für Kosten-Nutzen-Studien könnte am Ende der Wettbewerb sein Der Erfolg der Rabattverträge wird der Politik unheimlich Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Telematik Ist die Gesundheitskarte ein Auslaufmodell, oder gibt es einen Neustart 2010? Praxisabläufe kommen auf den Prüfstand Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Abbau von Bürokratie I Weniger Bürokratie ist möglich - "man müsste uns Ärzten nur vertrauen" Der tägliche Verwaltungskram kostet Praxen Milliarden Euro Bürokratieabbau im Kleinen und Lobbyarbeit im Großen Die tägliche Mühsal mit Formularen Billiger Aktionismus nützt nichts Abbau-Vorschläge: Oft wenig praxisrelevant Kollege Computer als Helfer in der Bürokratie-Falle Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Abbau von Bürokratie II Steuergeschenke gibt's nicht gratis Ein Nachweis für jeden geliehenen Cent Mehr Freiraum bei der Mitarbeiterwahl Im Ausland studiert: Jetzt fallen die Hürden für Ärzte Aus dem Koalitionsvertrag Was nun, Herr Rösler?
- Propädeutikum für Gesundheitsminister Minister Rösler ist gerüstet - jetzt kommen die schwarz-gelben Reformen
- So seh´ ich es Weihnachtswünsche für die Prominenz