In der Wirtschaftskrise wirkt der Gesundheitsfonds wie ein Schutzschirm

Er wurde als "bürokratisches Monster" aufs heftigste kritisiert: der Gesundheitsfonds, der am 1. Januar 2009 startete. Doch in der Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt er seine funktionale Tüchtigkeit als Schutzschirm. Verändern will die neue Koalition den Morbi-RSA, die wichtigste Aufgabe des Fonds. Aber wie?

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Wenig schmeichelhaft waren die Attribute für das zentrale Reformelement des Wettbewerbsstärkungsgesetzes: ein "bürokratisches Monster" hätten die schwarz-roten Koalitionäre 2007 beschlossen, als "Missgeburt" bezeichnete der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Professor Bert Rürup, die Finanzkonstruktion, über die seit Januar 2009 den Krankenkassen die Liquidität zufließt.

Was hat sich geändert am 1. Januar? Zwar ziehen immer noch die Krankenkassen von den Arbeitgebern (sowie von der Renten- und Arbeitslosenversicherung) und von freiwillig Versicherten die Beiträge ein. Aber im gleichen Moment werden diese Einnahmen an den Fonds weitergeleitet.

Der Fonds leitet Staatshilfe bedarfsgerecht an Kassen

Dort werden die Beitragseinnahmen, die die Versicherten gezahlt haben, mit dem Bundeszuschuss angereichert. Der soll jedes Jahr um 1,5 Milliarden Euro steigen - so der Plan nach dem Wettbewerbsstärkungsgesetz. Immerhin 11,7 Milliarden Euro werden bereits im kommenden Jahr erreicht.

Vom Start an war festgelegt, dass die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds jeden Monat gleiche Finanzzuweisungen erhalten. Die bisherigen Schwankungen werden mit Hilfe eines Kredit-Managements des Bundesfinanzministers ausgeglichen. Die Krankenkassen sparen auf diese Weise Finanzlücken, die erst mit den Sonderzahlungen in der Vorweihnachtszeit wieder ausgeglichen werden.

So weit der Normalfall. Das Jahr 2009 - und in der Folge auch das Jahr 2010 - sind alles andere als normal: Im Herbst 2008 kollabierte die Finanz- und Bankenbranche, nachdem eine gigantische Spekulationsblase geplatzt war.

Mit zeitlicher Verzögerung schwappte die Krise in die Realwirtschaft und traf die stark exportabhängige deutsche Volkswirtschaft besonders hart. Für das laufende Jahr wird mit einem realen Rückgang der Wirtschaftsleistung von fünf Prozent gerechnet - das ist der schwerste Einbruch in der Nachkriegsgeschichte.

Die Sozialversicherungen puffern in erheblichem Maße die unmittelbaren Krisenwirkungen für die meisten Bürger ab:

  • Die Arbeitslosenversicherung vor allem über das verlängerte Kurzarbeitergeld und
  • die Krankenversicherung über den Gesundheitsfonds, der zusätzlich aus Steuermitteln gespeist wird.

Schon im laufenden Jahr wurden die krisenbedingten Mindereinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung aus Staatszuschüssen (derzeit allerdings nur in Form rückzahlbarer Kredite) zunächst ausgeglichen. Im nächsten Jahr - hier rechnen die im Schätzerkreis versammelten Experten mit einer Lücke von 7,6 Milliarden Euro - wird der Steuerzuschuss des Bundes um 3,6 Milliarden Euro erhöht. Die verbleibende Lücke müssen die Kassen aus ihren Finanzreserven oder mit der Erhebung eines Zusatzbeitrages abdecken.

Tatsächlich hat sich der Fonds in der Krisenzeit als ein geeignetes Instrument erwiesen, den Krankenkassen rasch und vor allem auch bedarfsgerecht zusätzliche Liquidität zu verschaffen. Das wäre im vergangenen Jahr so noch nicht möglich gewesen.

Warum?

Bis Ende vergangenen Jahres galt der konventionelle Risikostrukturausgleich. Er berücksichtigte unterschiedliches Einkommen, unterschiedliche Geschlechter- und Altersverteilung sowie verschiedene Ausmaße beitragsfrei mitversicherter Familienangehöriger. Vor allem aber: Der alte RSA wurde im Nachhinein ausgerechnet und abgewickelt.

Neu ist nun, dass der RSA und das Ausmaß an Umverteilung prospektiv ermittelt werden - die Krankenkassen also aufgrund der Mitteilung ihrer kassenspezifischen Zuweisungen auch Planungssicherheit haben. Und hier fließen ihnen aktuelle staatliche Stützungsleistungen auch wirklich bedarfsgerecht zu. Das ist ein beachtlicher Vorteil des des neuen Risikostrukturausgleichs.

Gleichwohl behagt dieser neue Ausgleich nicht allen Politikern. Vor allem im Süden der Republik hätte man gern eine Revision, denn der hundertprozentige Finanzkraftausgleich führt dazu, das Mittel aus dem wohlhabenden Bayern und Baden-Württemberg in den ärmeren Nordosten der Republik fließt. Die Regionalisierung des RSA steht zwar nicht im Koalitionsvertrag - aber sobald Finanzreformen auf die Agenda kommen, werden Seehofer und die CSU vehement ihre Regionalinteressen geltend machen.

Manipulationsversuche flogen rasch auf

Der Koalitionsvertrag zielt allerdings darauf ab, den Morbi-RSA auf das notwendige Maß zu reduzieren, zu vereinfachen und unbürokratisch zu gestalten. Weniger als 25 qualifizierte Mitarbeiter im Bundesversicherungsamt managen den RSA - ist das überbordende Bürokratie? Sollen weniger Krankheiten (als die derzeit 80) im RSA berücksichtigt werden? Steigert das vielleicht doch wieder der Anreiz zur Risikoselektion? Oder müsste der RSA eher weiter verfeinert werden? Zweifellos: Es hat Versuche von Krankenkassen gegeben, Ärzte zum Nachkodieren oder gar zum Upcoding zu bewegen. Manipulationsversuche wurden rasch publik. Man wird genau hinschauen müssen, ob und in welchem Umfang das neue RSA-System Fehlanreize setzt und welche Instrumente gegen illegale Manipulationen wirksam sind.

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